Es dürfte in Deutschland kaum ein zweites Gebiet geben, das im Umkreis von nur wenigen Kilometern so viel verschiedene und naturkundlich interessante Lebensräume aufweist wie der Chiemsee und seine Umgebung.
Chiemsee-Naturführer
Tiere, Pflanzen und Landschaften in niemals trockenen Texten und mit über 200 Fotos. Nun schon in der 4. Auflage – und wieder gründlich überarbeitet und mit vielen neuen Bildern: der Chiemsee-Naturführer des Biologen, erfahrenen Sachbuchautors und jahrzehntelangen Kenners des Chiemgaus, Dr. Michael Lohmann. Eine umfassende Natur- und Heimatkunde dieser abwechslungs- und artenreichen Landschaft. Und ein engagiertes Plädoyer für die Bewahrung dieses heimatlichen Reichtums.
Landschaften verändern sich. Durch die Tätigkeiten der Menschen in einem fast schon atemlosen Tempo: Flüsse werden begradigt, Seen aufgestaut, Wälder gerodet oder gepflanzt, Siedlungen entstehen und breiten sich aus, ein Netz von Wegen, Straßen und Eisenbahn- strecken überzieht das Land ... Und es gibt Veränderungen auf einer ganz anderen Zeitachse:
Berge falten sich auf und erodieren, Gletscher hobeln Felsen glatt, schürfen Hohlformen aus und transportieren Gesteinsschutt, Seen entstehen und verlanden wieder. Wer diese Dynamik der Landschaftsveränderungen beim Betrachten einer Landschaft als Hintergrund miterlebt, dem erschließen sich ganz neue Dimensionen.
Die ersten Hinweise auf Menschen reichen im Chiemgau
etwa 7.000 Jahre bis in die Jungsteinzeit zurück. Möglicherweise handelt es sich aber bei den gefundenen Tonscherben und steinernen Pfeilspitzen um Spuren von
durchziehenden Jägern. Erst etwa um 1800 v. Chr., also
zu Beginn der Bronzezeit, dürfte die Gegend da und dort
dauerhaft besiedelt gewesen sein.
Die Lage des Chiemsees am Alpennordrand bestimmt das Klima in besonderem Maße. Bei westlichen bis nördlichen Winden stauen sich die feuchten Luftmassen am Alpenrand, werden in die Höhe gedrückt und kühlen ab. Dadurch kommt es zu Niederschlägen, die oft lange anhalten.
Die Lebenswelt der Gewässer ist schon an sich faszinierend.
Sie hat aber auch einen sehr aktuellen, sehr mit unserem täglichen Leben verbundenen Bezug. Denn die Pflanzen und Tiere eines Sees sind ein getreulicher Spiegel seiner "Wasserqualität", und die wiederum ist heute vor allem eine Folge menschlichen Tuns (oder Nichttuns) und berührt andererseits auch alle, die den See nutzen wollen, sei es als Badende, als Freunde geräucherter Fische oder als Beobachter von Wasservögeln.
Es gibt Hinweise darauf, dass auch am Chiemsee die Fischerei bereits zu einer Zeit ausgeübt wurde, als es noch keine Anzeichen von Sesshaftigkeit gab: Siedlungen und Landwirtschaft. So gesehen, ist die Berufsfischerei ein Relikt aus der Zeit der Jäger und Sammler. Seitdem hat sich viel geändert – auch mit den Fischen im See.
Die vielfältigen Lebensräume rund um den Chiemsee beherbergen eine ungewöhnlich artenreiche Vogelwelt. Vogelkundige kommen von weit her an den Chiemsee, um die vielen ungewöhnlichen Arten zu beobachten, die hier überwintern, auf dem Durchzug rasten oder brüten. Insgesamt wurden 322 Vogelarten festgestellt, von denen 168 Arten hier brüten oder gebrütet haben.
Die Tiroler Ache (offiziell Achen) kommt aus den Kitzbühler
Alpen und wird in Österreich Großache(n) genannt. Von ihrer Quelle am Pass Thurn südlich von Kitzbühl bis zu ihrer Mündung in den Chiemsee legt sie 73 km und 520 Höhenmeter zurück,
Früher gab es an vielen Ufern des Chiemsees bis zu 50 m
und weiter ins Wasser wachsende Schilfbestände. Wie an den meisten Gewässern Mitteleuropas sind sie in den 1960er und 1970er Jahren aus nicht restlos geklärten Gründen stark zurück gegangen. Die Stoppeln der alten Schilfflächen finden sich noch heute an vielen Stellen.
Das Chiemseebecken reicht bis unmittelbar an den Gebirgsfuß; im Osten an die Ausläufer von Hochfelln und Hochgern, im Westen an die Vorberge der Kampenwand.
Rechts und links des Achenschuttkegels entstanden flache
Buchten, in denen sich zunächst Flach- oder Niedermoore
bildeten. Das sind Verlandungen, wie man sie auch heute noch entstehen sieht; z. B. im Irschener Winkel bei Bernau oder in der Hirschauer Bucht bei Grabenstätt.
Nordwestlich des Chiemsees liegt die seenreichste Landschaft
Bayerns. Über die genaue Zahl der Seen kann man sich streiten, denn manche Seen sind sehr klein, fast schon oder bereits ganz verlandet, andere wiederum sind schwer voneinander abzugrenzen, da sie oft nur durch schwimmende Rasen voneinander getrennt sind. Es sind jedenfalls zwischen 20 und 30 größere und kleinere Seen, wobei die größeren, wie der Langbürgner See, oft so buchtenreich sind, dass man den Eindruck von mehreren kleinen Seen hat.
Zwischen Seebruck und Hölltal windet sich die Alz in behäbigen Mäandern durch jenen Wall von Endmoränen, den einst der Chiemseegletscher an seiner Front hinterließ. Es hat wohl einige Zeit gedauert, bis sich der Fluss hindurchgearbeitet hat durch die Berge von Geröll und Schutt, die nach der letzten Eiszeit den Chiemsee fast 20 m höher aufgestaut hatten, als er heute ist.
Neben der Tiroler Ache ist die Prien der bedeutendste Zufluss des Chiemsees. Es sind aber nicht so sehr die Wassermengen, die diesen kleinen Gebirgsfluss auszeichnen, sondern die landschaftlichen Reize seines Laufs.
Der besondere Reiz des Chiemsee-Uferwegs sind die wechselvollen Landschaften, durch die er führt. Eine Wanderung auf ihm und erst recht eine Radtour um den See werden niemals langweilig.